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Forum: Implantologie

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Thema:
Zahnverlust nach schwerem Fahrradunfall, Erstattung durch ges. KK?
Anzahl der Beiträge: 5

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erstellt: 22.07.2010 - 11:09

A. Stüwe aus Hamburg

Guten Tag,
vor fast 4 Wochen erlitt ich einem schweren Fahrradunfall ohne Fremdbeteiligung. Bei diesem Unfall zog ich mir neben erheblichen Mittelgesichtsfrakturen auch einen komplizierten Trümmerbruch des linken Unterkiefers zu, der operativ durch Plattenosteosynthesen versorgt wurde. Durch den Aufprall verlor ich 6 Zähne. Die 2 hinteren Molaren sind noch intakt.
Nun habe ich schon mehrfach gelesen und gehört, dass in Ausnahmefällen eine Erstattung von Implantaten durch gesetzliche Krankenkassen erfolgen kann. Ein Unfall stellt lt. SGB V eine Ausnahmeindikation dar.
Inwiefern kann ich mit einer Kostenübernahme rechnen?
Ist mein Alter (25J) auch ausschlaggebend für eine Bewilligung?
Ich habe auch gehört, dass es unter Umständen nötig wäre die intakten Zähne anzuschleifen um eine Brücke einzusetzen. Dies würde aber angeblich die Unversehrtheit des Körpers darstellen und somit auch ein Ausschlusskristerium sein.
Wie sind Ihre Erfahrungen in solchen Fällen?

Ich danke Ihnen für Ihre Mühe und bin gespannt auf Antworten.

Mit freundlichen Grüßen,
Alexander Stüwe

Guten Tag Herr Stuwe,

ich wünsche Ihnen eine schnelle Genesung. In der Folge habe ich Ihnen den Text der "Ausnahmeindikationen" eingefügt, der Anlass zur Hoffnung bietet. Das Verfahren ist ausnahmsweise recht einfach: Sie sollten zu zusammen mit Ihrem Zahnarzt einen prothetischen Behandlungsplan entwickeln und diesen zur Genehmigung bei der Krankenkasse einreichen. Ein Begutachtungsverfahren wird über die Höhe der Zuschüsse entscheiden. Hier gibt es sicher einen gewissen Spielraum, wobei die Krankenkasse nur eine "ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche
vertragszahnärztliche Versorgung" bezahlen muss.

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Rechtsprechung
Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses gem. § 91 Abs. 6 SGB V
in der Besetzung für die vertragszahnärztliche Versorgung
für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche
vertragszahnärztliche Versorgung (Behandlungs-Richtlinien)
vom 04. Juni 2003 und 24. September 2003
in der ab 18. Juni 2006 gültigen Fassung
Bundesanzeiger Nr. 111 vom 17. Juni 2006, Seite 4466

VII. Ausnahmeindikationen für implantologische Leistungen

Der Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen legt in Richtlinien gem. § 92 Abs. 1 SGB V die seltenen Ausnahmeindikationen für besonders schwere Fälle fest, in denen der Anspruch auf implantologische Leistungen einschließlich der Epithesen und/oder der Suprakonstruktionen (implantatgetragener Zahnersatz) im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung gemäß § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V als Sachleistung besteht. Der Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen folgt dabei den Intentionen des Gesetzgebers, dass Versicherte nur in zwingend notwendigen Ausnahmefällen diese Leistungen erhalten.


Ausnahmeindikationen für Implantate und Suprakonstruktionen im Sinne von § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V liegen in den in Satz 4 aufgeführten besonders schweren Fällen vor. Bei Vorliegen dieser Ausnahmeindikationen besteht Anspruch auf Implantate zur Abstützung von Zahnersatz als Sachleistung nur dann, wenn eine konventionelle prothetische Versorgung ohne Implantate nicht möglich ist. In den Fällen von Satz 4 Buchstaben a) bis c) gilt dies nur dann, wenn das rekonstruierte Prothesenlager durch einen schleimhautgelagerten Zahnersatz nicht belastbar ist.
Besonders schwere Fälle liegen vor

bei größeren Kiefer- oder Gesichtsdefekten, die ihre Ursache
in Tumoroperationen,
in Entzündungen des Kiefers,
in Operationen infolge von großen Zysten (z.B. große follikuläre Zysten oder Keratozysten),
in Operationen infolge von Osteopathien, sofern keine Kontraindikation für eine Implantatversorgung vorliegt,
in angeborenen Fehlbildungen des Kiefers (Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalten, ektodermale Dysplasien*) oder
in Unfällen
haben,
bei dauerhaft bestehender extremer Xerostomie, insbesondere im Rahmen einer Tumorbehandlung,
bei generalisierter genetischer Nichtanlage von Zähnen1,
bei nicht willentlich beeinflussbaren muskulären Fehlfunktionen im Mund- und Gesichtsbereich (z.B. Spastiken).

1Stellungnahme der KZBV zur generalisierten Nichtanlage von Zähnen:
Eine "generalisierte" Nichtanlage liegt dann vor, wenn bei rein zahlenmäßiger Betrachtung die Mehrzahl der typischerweise bei einem Menschen angelegten Zähne je Kiefer fehlen. Es wird davon ausgegangen, dass bei einem Menschen normalerweise insgesamt 32 Zähne angelegt sind. Das Vorliegen der Voraussetzungen der Ausnahmeindikation ist daher für jeden Kiefer einzeln zu bestimmen.


Bei extraoralen Defekten im Gesichtsbereich nach Tumoroperationen oder Unfällen oder infolge genetisch bedingter Nichtanlagen ist die operative Deckung der Defekte das primäre Ziel. Ist eine rein operative Rehabilitation nicht möglich und scheidet die Fixierung von Epithesen zum Defektverschluss durch andere Fixierungsmöglichkeiten aus, so ist eine Verankerung von Epithesen durch Implantate angezeigt.


Die Krankenkasse muss die in diesen Richtlinien genannten Behandlungsfälle mit dem Ziel begutachten lassen, ob die Ausnahmeindikationen vorliegen. Zahnarzt und Krankenkasse können eine Überprüfung des Gutachtens durch einen Obergutachter bei der KZBV beantragen.

Gutachter und Obergutachter müssen implantologisch erfahrene Zahnärzte sein, die von der KZBV im Einvernehmen mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen benannt werden. Das Vorschlagsrecht für entsprechende Gutachter und Obergutachter liegt sowohl bei der KZBV als auch bei den Spitzenverbänden der Krankenkassen.

* Änderungsbeschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 01.03.2006

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Viel Erfolg wünscht

R.Roos

erstellt: 10.09.2010 - 13:20

Carola M. aus NRW

Guten Tag,

mir (44 Jahre) ist bekannt, dass die GKV die Erstattung von Implantaten nur in Ausnahmefällen übernimmt - wie z.B. Unfallfolgen, wie im § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V beschrieben.

Hier ist eine Kurzfassung meines Falls:
Als ich ca 11 Jahre alt war (damals lebte ich noch in Kanada), bin ich nach dem Sportunterricht in der Turnhalle gefallen und mein Schneidezahn (nr 22) ist abgebrochen (ohne Fremdbeteiligung). Mir wurde ein Stiftzahn eingesetzt. Dieser Stiftzahn hielt bis Mitte der 90iger Jahre und wurde dann in Deutschland mit einem neuen Stiftzahn ersetzt.

Im Oktober 2003 habe ich zum ersten Mal im Leben einen Krampfanfall erlitten und seitdem mehrere (ca jede 8 Monate einen). Beim vorletzten Anfall im Mai 2009 habe ich im Büro, wo ich tätig bin, einen Krampfanfall erlitten wobei dieser Stiftzahn sich gelockert hat. Im Januar dieses Jahres ist dieser Stiftzahn rausgefallen und wurde in der Zwischenzeit (Anfang September 2010) von einem Implantat ersetzt, gemäß Implantologischer Behandlungsplan des Zahnarztes vom 4.2.2010.

Meine Fragen:
Steht mir eine Kostenübernahme - zusätzlich zur üblichen Kroneregel-Vorsorge Zuschuss - zu?
Welche Unterlagen müsste ich der GKV vorlegen, um eine Kostenübernahme zu begründen?
Ist diese Kostenübernahme-Beantragung zu spät, da das Implantat schon eingesetzt worden ist?

Ich danke Ihnen ganz herzlich im Voraus für Ihre Einschätzungen und Antworten.

Mit freundlichen Grüßen,
Carola M.

Sehr geehrte Carola,
ich kann und darf Ihnen keinen Rechtsrat geben, würde die Sache aber wie folgt einschätzen: der ursächliche Unfall fand außerhalb des Rechtsraumes der GKV statt. Warum sollte also ein hiesiger Versicherungsträger DAFÜR einstehen? Wenn Sie nun einen Zuschuß für die Implantatkrone bekommen, ist das doch keine so schlechte Sache. Ihr Zahnarzt kann doch einen entsprechenden Antrag für die Krankenversicherung schreiben. Unabhängig von den Kosten: freuen Sie sich über eine schönes Endresultat und die tatsache, daß die Nachbarzähne außen vor geblieben sind. Die Rechnung ist dann schnell vergessen.
Dr. Frank Püllen, MMSc, Neu-Isenburg

Guten Tag, Carola, guten Tag, Herr Stüwe,

ich bin selbst für die Zahnärztekammer Nordrhein als Gutachter in Bezug auf Ausnahmeindikationen nach § 28 SGB V tätig.
Ohne den konkreten Einzelfall beurteilen zu können, ist es jedoch wichtig zu wissen, dass sowohl eine Ausnahmeindikation vorliegen muss (z.B. Unfall, Tumortherapie - s.o.) UND der Patient gleichzeitig NICHT mit herkömmlicher Prothetik zu versorgen ist. Bei einer Einzelzahnlücke in der Front kommt üblicherweise eine Brücke als herkömmliche Versorgung in Frage. Wenn durch einen Unfall mehrere Zähne fehlen UND das Zahnfleisch nicht als Prothesenlager geeignet ist (z.B. auf Grund Narbenbildung) würde eine Ausnahmeindikation nach § 28 vorliegen, bei der die KK auch die Kosten der Implantation übernehmen sollte.

Viele Grüße

DR. Bernd Quantius, M.Sc.


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